market-interview.com mit Florian Schulz (über Emerging Markets)

 

Über Florian Schulz:
Florian Schulz (Chefredakteur) ist ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Emerging-Markets und Chefredakteur des www.emerging-markets-trader.de. Aufgrund zahlreicher zutreffender Prognosen bzgl. der Entwicklung des chinesischen- und osteuropäischen Marktes machte er sich schon während seiner Tätigkeit als Chefredakteur bei Emerging-Markets-Research (ab 2000) schnell einen guten Namen in der Branche. In den vergangenen Jahren sorgten insbesondere seine 11 nahezu punktgenauen Crash-Warnungen sowie sein beherzter Wiedereinstieg im März 2009 für Aufsehen. Durch sein Studium der "Internationalen Entwicklung" an der renommierten Universität in Wien konnte er sich ebenso wie durch seine Besuche in zahlreichen Ländern Osteuropas und Asiens wertvolles Hintergrundwissen aneignen. Während der insgesamt fast 2 Jahre, die er in insgesamt mehr als 20 Schwellenländern (z.B. Vietnam, Indien, Russland, China, Indonesien) verbrachte, konnte Herr Schulz hervorragende Vorortkontakte aufbauen, die es ihm ermöglichen einzigartige Chancen aufzuspüren.
 
 

market-interview.com: Zweifelsohne stecken wir momentan in einer großen Europa-Krise. Das Wachstum schwächt sich in Europa drastisch ab. Wird das auch Auswirkungen auf die Emerging Markets (Schwellenländer) haben?

Florian Schulz: Ja sicher. Für viele Emerging Markets ist Europa ein wichtiger und großer Partner. Dennoch wird Europa als Handelspartner überschätzt. Ich denke die Schwellenländer erleben insbesondere eine Binnenmarktabkühlung und das überlagert die Europakrise und ist ein größerer Faktor.

market-interview.com: Das heißt also, dass momentan die Emerging Markets auch Wachstumsprobleme haben?
 
Florian Schulz: Wachstumsproblem ist übertrieben formuliert. China wächst immer noch über 7% - aber das Wachstum verlangsamt sich. Und das Wachstum in manchen Ländern wie Indien und Brasilien kühlt sich deutlich ab. Hier haben die Zentralbanken evtl.  geldpolitisch etwas zu spät reagiert.
 

market-interview.com: Welche Regionen sehen Sie momentan von einer Abkühlung am meisten betroffen? Sind es eher die rohstoffreichen Regionen wie Osteuropa (Russland) und Lateinamerika (Brasilien) oder eher die Konsumwachstumsregionen Asiens wie China und Indien?

Florian Schulz: Eigentlich sind beide von der Abkühlung betroffen. Die Abkühlung startete in den Konsumländern und belasteten dann die rohstoffreichen Länder. In beiden fällen sieht man jedoch eine Stabilisierung. In China gehe ich davon aus, dass wir bis Jahresende eine Konjukturbelebung haben werden und die aktuelle Stimulierungspolitik Früchte trägt. Für Russland sehe ich aus wirtschaftlicher Sicht schwierigere Zeiten aufgrund des Reformstaus und schwächeren Ölpreis. Das bedeutet aber nicht, dass ich bei russischen Aktien kein Einstiegsniveau erkenne. Die Bewertungen russischer Aktien sind dazu viel zu günstig. Für Brasilien und Indien bin ich am kritischsten gestimmt. Indien vor allem wegen dem hohen Leistungsbilanzdefizit und Reformstau. In Brasilien fürchte ich, dass die Stimulierungspolitik der vergangenen Jahre zur Katerstimmung führt.

 
market-interview.com: Chinas Wachstum kühlt sich ab. Was sind Ihrer Meinung nach die Faktoren dafür und fürchten auch Sie wie in deutschen Medien berichtet ein "hard landing" der chinesischen Wirtschaft?
 
Florian Schulz: In meinem Basisszenario wird China kein "hard-landing" erleben. Und ich gehe davon aus, dass die Stimulierungspolitik nochmals Wirkung zeigt. Das in deutschen Medien gern gezeichnete Horrorszenario - nämlich ein Zusammenbrechen des Immobilienmarktes in China. Zwar sind die Preise in vielen Städten deutlich zurückgekommen, aber die Auswirkung dieser überfälligen Abkühlung sind bei Weitem nicht so gravierend, wie wir es 2008/09 in den USA erlebt haben. So haben sich chinesische Haushalte nur wenige Hypothekenkredite aufgeladen. Aber es sind 9 von 10 Haushalte Besitzer von Immobilien. Und selbst die wenigen Hypothekenkredite sind durch wesentlich höheres Eigenkapital hinterlegt, als es in westlichen Industrieländern der Fall ist. Auch die Gefahr einer Bankenkrise wird in meinen Augen überschätzt. Da haben sich im System aufgrund der exzessiven Kreditvergabe an Staatsunternehmen während der Finanzkrise 08/09 enorme lasten angehäuft, die zu starken Kreditausfällen führen können. Die Regierung wird aber die zum Großteil staatlichen Banken - wenn es ganz hart kommen würde - nicht untergehen lassen. Hinzu kommt, dass chinesische Banken auf wesentliche höhere Kontoeinlagen zurückgreifen können, als sie Kredite vergeben haben.

market-interview.com: Auch die Bewertung deutscher Aktien ist im internationalen Durchschnitt nicht hoch. Welche Aktienmärkte würden Sie momentan auf Sicht der kommenden 12 Monate ins Depot legen? Und wie würden Sie während der EU-Krise die Cash-Quote halten?

Florian Schulz: Attraktiv sind momentan die meisten Aktienmärkte der Schwellenländer. Die Bewertungen sind mit KGVs von rund 10 sehr günstig. Insbesondere sehe ich eine historische Chance in den Aktienmärkten Chinas und Russlands einzusteigen. In Russlands Energiewerten sind KGVs von unter 5 eher die Regel als die Ausnahme. Und in China bekommt man Konsumaktien mit KGVs von unter 10. In beiden Märkten ist eine starke Krise bereits eingepreist und da ich in meinem Basisszenario von einer Stabilisierung mit Blick auf 2013 ausgehe, sehe ich bis Jahresende gute 20% Kurspotenzial. Die Europakrise ist für deutsche Unternehmen ein zweiseitiges Schwert. Auf der negativen Seite führt sie zu enormer Unsicherheit und es geht in Südeuropa Absatzpotenzial verloren - andererseits stärkt der schwache Euro die ohnehin gute Wettbewerbsfähigkeit zusätzlich. Auch die Finanzierungsbewilligungen waren für gesunde Unternehmen noch nie so günstig wie derzeit. Im Moment konzentriert sich der Markt eher auf die negativen Aspekte der Europakrise und die durchaus vorhandenen Chancen werden vernachlässigt. Daher sehe ich momentan im historischen Vergleich auch bei deutschen Aktien ein attraktives Einstiegsniveau. In Zeiten, wo man bei Unternehmen höhere Dividendenrendite erzielen kann als am Markt für Staatsanleihen oder Festgeldkonto wäre es töricht sein Geld vorwiegend in bar zu halten. Ich empfehle daher hohe Investitionsquote im Aktienmarkt aufzubauen.
 

market-interview.com: Global befinden wir uns in der historisch wohl größten Überschuldungskrise. V.a. die Schulden der Industriestaaten sind in den vergangenen Jahren überproportional gestiegen. Dagegen ist die Schuldenpolitik vieler Schwellenländer eher eingeschränkt worden. Dies zeigt sich auch bei den Entwicklungen der beiden Hauptwährungen Euro und USD. Glauben Sie, dass ein Vermögen in anderen Währungen (bspw. Singapur Dollar oder brasilianischer Real) sinnvoller ist?

Florian Schulz: Es wäre sicherlich falsch jetzt alle Guthaben in beispielsweise Singapur Dollar umzutauschen, denn der viel beschriebene Schweizer Franke des Ostens ist es für mich nicht. Der Grund dafür ist die extreme Abhängigkeit von den internationalen Handelsströmen. Sobald eine schwere Welle durch das internationale Finanzsystem rauscht, reagiert Singapurs Wirtschaft in aller Regel besonders stark darauf. Bedenkt man jedoch, dass die meisten deutschen Anleger so gut wie keinerlei Vermögen in den Schwellenländerwährungen angelegt haben, so kann ich grundsätzlich jenen nur empfehlen verstärkt auf EM-Währungen zu setzen. Viele Schwellenländer haben eine sehr niedrige Staatsverschuldung, niedrige Haushaltsdefizite und sie haben insbesondere die Inflation wesentlich besser im Griff als in der Vergangenheit. Besonders gefällt mir, dass die Zentralbanken der Schwellenländer in aller Regel ihr Pulver noch nicht verschossen haben und man dem ständigen Abwertungsdruck durch quantitative easing nicht ausgesetzt ist. Es kann daher sicherlich nicht schaden einige dieser "gesunden Währungen" in seinen Währungskorb aufzunehmen. Ich würde einen Währungsmix mit Singapur und Hongkong Dollar vorschlagen. Der HKD ist an USD gekoppelt, was auf den ersten Blick denselben Kräften des USDs erscheint. Diese Kopplung sehe ich allerdings nicht als Gott gegeben. Sollte die FED die eine oder andere Runde quantitative easing bekannt geben, so wird Hongkong möglicherweise mit einer Neuanpassung der Währungsbindung reagieren. So halte ich es für möglich, dass wir schon in wenigen Jahren eine Bindung des HKD an den chinesischen Yuan sehen werden.

market-interview.com: Vıelen Dank, Herr Schulz für die aufschlussreichen İnformationen!


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